Kommunen in Niedersachsen: Finanzielle Dauerkrise und Investitionsrückstände auf Rekordniveau
„Die Finanzlage der niedersächsischen Kommunen hat sich im vergangenen Jahr dramatisch verschlechtert. Während die Schulden ungebremst wachsen, bleiben Investitionen aus.“ warnt Dr. Sandra von Klaeden, Präsidentin des Niedersächsischen Landesrechnungshofs.
Schulden steigen – Ausgaben explodieren – Einnahmen stagnieren
Für 2024 lag das Minus der kommunalen Haushalte bei fast 4 Mrd. € – ein trauriger Rekord. Hauptursachen sind explodierende Sozialausgaben, steigende Personalkosten sowie stagnierende Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommensteuer. „Der Griff zum Kredit wird für viele Kommunen zum Dauerinstrument.“ so Dr. von Klaeden. Die Schulden stiegen um 2,5 Mrd. € auf über 17 Mrd. € Ende 2024. (Kommunalbericht 2025, Kapitel 6, S. 125)
Investitionsrückstände: Schulen bleiben das größte Problemfeld
Die Investitionsrückstände der Landkreise haben mit 6,8 Mrd. € ein neues Rekordniveau erreicht. Rund 60 % davon entfallen auf Schulen. Das entspricht 3,8 Mrd. €. Marode Gebäude und eine veraltete Ausstattung prägen vielerorts den Bildungsalltag der Kinder. Beim Abbau von Investitionsrückständen ist fehlendes Personal der zentrale Faktor. (Kommunalbericht 2025, Kapitel 5, S. 103)
Demografie wird zum Risiko
Der demografische Wandel trifft inzwischen alle niedersächsischen Kommunen. Während Ballungsräume wie Hannover, Oldenburg, Göttingen oder Osnabrück wachsen, schrumpfen viele ländliche Räume – besonders im Süden und Osten Niedersachsens. Sinkende Einwohnerzahlen reißen Löcher in Steuerkassen. Gleichzeitig steigen landesweit die Anforderungen an Kitas, Schulen, Wohnen und Pflege. Die Auswirkungen auf die Bereiche Finanzen, Bildung, Wohnungsmarkt, Digitalisierung und Gesundheit zeigen die diesjährigen Prüfungen zum Schwerpunkt Demografie: (Kommunalbericht 2025, Kapitel 3.3, S. 17)
- Finanzstatusprüfung: In zwölf Gemeinden wurde die Haushaltslage mit besonderem Blick auf die demografische Entwicklung geprüft. Steigende Ausgaben trafen auf stagnierende Einnahmen. Die Steuerprognosen lassen keine Entlastung erwarten. Erforderliche Investitionen sind eng mit der Bevölkerungsentwicklung abzugleichen. (Kommunalbericht 2025, Kapitel 3.4, S. 23)
- Digitalisierung Berufsschulen: Berufsbildende Schulen sind der Brückenschlag zwischen Bildung und künftigen Fachkräften. Erforderlich dafür ist eine gute Vorbereitung auf die digitale Arbeitswelt. Auch wenn fast alle geprüften Schulstandorte über leistungsstarke Internetzugänge verfügten, gab es noch deutliche Unterschiede bei Anzahl und Verteilung von speziellen digitalen Arbeitsgeräten und Maschinen. Rechnerisch konnten 1,6 Schülerinnen und Schüler auf ein Gerät zugreifen – immerhin besser als an allgemeinbildenden Schulen, in denen sich durchschnittlich 3,6 Schülerinnen und Schüler ein Gerät teilen. (Kommunalbericht 2025, Kapitel 3.5, S. 32)
- Kommunale Wohnungswirtschaft: Der demografische Wandel wirkt sich zunehmend auf den Wohnungsmarkt aus. Der Bedarf steigt schneller als das Angebot – gerade in wachsenden Regionen. Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Trotzdem ging der kommunale Wohnungsneubau deutlich zurück. Gestiegene Baukosten, hohe Zinsen und neue gesetzliche Anforderungen führten dazu, dass viele Vorhaben wirtschaftlich nicht mehr darstellbar waren. Besonders gravierend war bei den betrachteten Wohnungsgesellschaften der Rückgang an mietpreisgebundenen Wohnungen: Seit 2018 beträgt das Minus rd. 33 %. Umso wichtiger ist es, dass die Kommunen ihre Wohnraumkonzepte und Bevölkerungsprognosen systematisch miteinander verknüpfen. (Kommunalbericht 2025, Kapitel 3.6, S. 40)
- Verwaltungsdigitalisierung: Der demografische Wandel verstärkt den Handlungsdruck auch bei den internen Verwaltungsabläufen. Digitale Verfahren können helfen, Verwaltungsleistungen dauerhaft anzubieten und steigende Fallzahlen zu bewältigen. Positiv hervorzuheben ist, dass alle geprüften Kommunen inzwischen E-Akten einsetzten und an der Optimierung ihrer internen Verfahren arbeiteten. Aber: Digitalisierung kostet – nicht nur finanziell, sondern vor allem personell. Wichtig ist daher, dass die Kommunen wissen, was die Digitalisierung ihrer Verwaltungen kostet, und sie diese Kosten transparent und nachvollziehbar im Haushalt abbilden. (Kommunalbericht 2025, Kapitel 3.9, S. 63)
- Betriebliches Eingliederungs- und Gesundheitsmanagement: Das betriebliche Eingliederungsmanagement unterstützt Beschäftigte nach längerer Krankheit bei der Rückkehr in ihren Job und verhindert erneute Ausfälle – ein Schlüssel, um Fachkräfte zu halten. Die betriebliche Gesundheitsförderung als wichtige Säule des Gesundheitsmanagements reicht weiter: Von Stresspräventionskursen bis zur psychologischen Beratung. Die Prüfung hat gezeigt: Erst die enge Verzahnung unter einem Dach ist der richtige Schlüssel beim Gesundheitsmanagement. Hier besteht noch Handlungsbedarf. (Kommunalbericht 2025, Kapitel 3.7, S. 46)
Weitere Feststellungen aus dem Kommunalbericht 2025:
- Eingliederungshilfe: Die Eingliederungshilfe unterstützt Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Die Umsetzung im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes war in allen geprüften Kommunen noch ausbaufähig. Trotz Vorgaben gab es Wartezeiten etwa bei Schulassistenzen und Engpässe in der individuellen Unterstützung. Dies belastet Betroffene und Kommunen gleichermaßen. Die erhoffte Kostendämpfung ist bislang ausgeblieben. Die landesweiten Gesamtausgaben stiegen weiter dynamisch von 2,46 Mrd. € auf 2,67 Mrd. € (Steigerung 8,5 %) in den vergangenen zwei Jahren. (Kommunalbericht 2025, Kapitel 3.8, S. 55)
- Waffenbehörden: Die meisten geprüften Kommunen nahmen ihre Aufgabe als Waffenbehörde sehr gewissenhaft wahr – trotz komplexer Sachverhalte, Fachkräftemangel und hohem Personalbedarf. Gleichzeitig wurden aber auch Schwächen sichtbar: Kontrollen wurden teilweise unregelmäßig durchgeführt. Die Möglichkeiten der vorhandenen Software wurden noch nicht vollständig genutzt. (Kommunalbericht 2025, Kapitel 3.10, S. 70)
20 Jahre überörtliche Kommunalprüfung – aktueller denn je
Was 2005 begann, ist heute wichtiger denn je: Seit 20 Jahren liefert die überörtliche Kommunalprüfung einen unabhängigen, verlässlichen und klaren Blick auf die Lage der Kommunen. Sie hat sich in dieser Zeit als verlässliche Partnerin für Landtag, Landesregierung und Kommunen etabliert – faktenbasiert, unabhängig und praxisnah.

