Kommunalbericht 2023: Kommunen in der Krise?

Anstieg der Investitionskredite lässt Verschuldung der kommunalen Kernhaushalte auf Spitzenwert steigen. Zinswende macht sich bemerkbar.

Dass sich der Schuldenberg der Kommunen auch im letzten Jahr weiter erhöhte, konnten selbst Rekordeinnahmen nicht verhindern. 13,9 Mrd. € betrug Ende 2022 die Gesamtverschuldung aller kommunalen Kernhaushalte – ein Plus von über 7 % gegenüber dem Vorjahr. Für den Anstieg hauptursächlich waren die Kreditaufnahmen für Investitionen. Diese erhöhten sich um 1,2 Mrd. € und lagen in Summe bei insgesamt 12,8 Mrd.€. Dr. Sandra von Klaeden, Präsidentin des Niedersächsischen Landesrechnungshofs, wiederholte im Landtag bei der Vorstellung des Kommunalberichts daher ihre Warnung aus dem letzten Jahr: „Investitionen sind sicher geboten. Dass die Kommunen diese aber weiterhin über immer mehr Kredite finanzieren müssen, ist bedenklich – insbesondere aufgrund des stetig steigenden Zinsniveaus.“ (Kommunalbericht 2023, Kapitel 6, S. 122)

Welche Folgen die Zinswende mit sich bringt, lassen inzwischen die Zinszahlungen für Kredite mit nur kurzer Laufzeit erahnen. So konnten die Kommunen den Gesamtbestand dieser Kredite in den vergangenen Jahren zwar deutlich verringern, dennoch verdoppelten sich im Jahr 2022 die Zinszahlungen für diese Kredite. Präsidentin Dr. von Klaeden mahnt: „Die Entwicklung der Zinsen für kurzfristige Kredite nimmt die Entwicklung der langfristig aufgenommenen Investitionskredite vorweg. Bei Auslaufen dieser Verträge und bei der Neuaufnahme von Investitionskrediten werden zusätzliche Finanzierungskosten entstehen. Die sich daraus ergebenen Zinszahlungen belasten in den nächsten Jahren die kommunalen Haushalte zusätzlich.“

Doch damit nicht genug. Auch die Investitionsrückstände nahmen nach den Feststellungen der überörtlichen Kommunalprüfung deutlich zu. Eine Befragung von 96 großen Gemeinden ergab, dass sich deren Investitionsrückstände auf 12,4 Mrd. € summierten – gegenüber der erstmaligen Erhebung aus den Jahren 2020/21 eine Steigerung von beinahe 30 %. Vor allem marode Schulen und kaputte Straßen machten den befragten Kommunen zu schaffen. Mit über 3.000 € pro Einwohnerin und Einwohner lagen deren Investitionsrückstände um rund 1.000 € pro Einwohnerin und Einwohner über dem Bundesdurchschnitt. (Kommunalbericht 2023, Kapitel 4, S.87)

Dass Investitionen in die Infrastruktur dringend geboten sind, bestätigte die Betrachtung der 329 Brücken in zehn Kommunen: So erfolgten Zustandsbewertungen nicht fristgerecht oder gar nicht, auch notwendige Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen unterblieben. (Kommunalbericht 2023, Kapitel 3.6, S. 47)

Und noch ein anderer Bereich belastet die Finanzlage der Kommunen: die aus den kommunalen Kernhaushalten ausgegliederten Eigenbetriebe, Anstalten und privatrechtliche Unternehmen wie Krankenhäuser und der ÖPVN. So lag der Schuldenanteil der ausgegliederten Bereiche zum 31.12.2021 mit mehr als 15 Mrd. € sogar über der Verschuldung der Kernhaushalte.

Blickt man auf die zukünftigen Herausforderungen der Kommunen, werden diese nicht weniger. Zu nennen sind die Unterbringung und Integration Geflüchteter, die Kosten des Klimawandels und der Verwaltungsdigitalisierung, der Fach- und Arbeitskräftemangel sowie steigende Personalkosten. „Diese Herausforderungen sind nicht nur finanzieller Art, sondern fordern die gesamte kommunale Selbstverwaltung“ so Präsidentin Dr. von Klaeden.

Vier weitere Einzelergebnisse aus dem Kommunalbericht 2023:

▪ Die Planung von Kita-Plätzen erfolgte in den geprüften sieben Landkreisen nicht immer umfassend, so dass Plätze fehlten. Die Kommunen riskieren dadurch mögliche Klagen von Eltern. (Kommunalbericht 2023, Kapitel 3.3, S. 27)

▪ Die Konkurrenz von sechs verschiedenen Schulformen führte in einzelnen Schulen zu einer niedrigen Auslastung und dadurch oftmals hohen Kosten. Die Kosten je Schülerin und Schüler variierten im Jahr 2020 zwischen 862 € und 6.517 €. (Kommunalbericht 2023, Kapitel 3.4, S. 32)

▪ Radfahren ist beliebt und die Kommunen unternehmen viel zur Steigerung der Attraktivität. Um ihren Verkehrssicherungspflichten nachzukommen und Haftungsrisiken zu minimieren, müssen Kommunen jedoch regelmäßig Radwegkontrollen vornehmen. (Kommunalbericht 2023, Kapitel 3.5, S. 38)

▪ Das kommunale Versicherungsmanagement ist weitgehend nicht wirtschaftlich ausgerichtet. Es ließe sich beträchtlich sparen, wenn Kommunen neue Verträge vergeben würden. Beispiel: Im Jahr 2018 schrieb die Gemeinde Adendorf die Gebäude- und Inhaltsversicherungen öffentlich aus. Ihre Aufwendungen konnte sie dadurch um mehr als 50 % senken. (Kommunalbericht 2023, Kapitel 3.7, S. 53)

Bildrechte: Nds. LRH

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Artikel-Informationen

erstellt am:
28.09.2023

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